MADRID – Es sind die berühmten Geschichten, die nur der Sport schreibt – und im Fall von Jan-Lennard Struff ist seine Geschichte beim diesjährigen ATP Masters in Madrid eine märchenhafte. Im Finale der Qualifikation unterlag der Warsteiner seinem russischen Kontrahenten Aslan Karatsev glatt mit 4:6, 2:6. So schien die Reise für den 33-jährigen Deutschen, der Mitte April noch das Viertelfinale beim Masters in Monte-Carlo erreicht hatte, frühzeitig beendet – doch das war sie noch lange nicht.
Durch zwei Ausfälle von Spielern vor Beginn der Hauptfeld-Matches war Struff einer der beiden Glücklichen, im offiziellen Wording “Lucky Loser”, die trotzdem eine Chance im 96-köpfigen Teilnehmerfeld bekamen. Und diese Chance wusste der großgewachsene Rechtshänder zu nutzen, bezwang er zum Auftakt den Italiener Lorenzo Sonego glatt mit 6:3, 6:1 und nahm danach den gesetzten US-Amerikaner Ben Shelton mit 4:6, 7:6, 7:5 aus dem Turnier.
Schon bis hierher war für den Lucky Loser aus Deutschland die Teilnahme dank glücklicher Umstände ein voller Erfolg – den er allerdings auch fortlaufend zu toppen wusste.
Zuerst bezwang er den Serben Dusan Lajovic 6:7, 6:3, 6:3, ehe in der Runde der letzten 16 die Aufgabe Pedro Cachin aus Argentinien knapp mit 7:6, 6:7, 6:3 bewältigt werden konnte.
Damit war der Warsteiner, der vor Turnierbeginn auf Platz 65 der ATP-Weltrangliste geführt wurde, erneut in einem Masters-Viertelfinale, wartete hier mit dem Weltranglisten-Fünften Stefanos Tsitsipas aus Griechenland aber auf dem Papier die bislang größte Hürde.
In einem packenden Match meisterte Jan-Lennard Struff diese Aufgabe in mitreißender Manier und erreichte seinen bis dahin größten sportlichen Erfolg auf der ATP Tour – das Halbfinale eines Masters. 7:6, 5:7, 6:3 lautete das Endergebnis nach 150 gespielten Minuten auf dem Center Court der Mutua Madrid Open, dem Manolo Santana Stadium.
Im Semifinale wartete, und auch diese Tatsache macht die Geschichte ganz besonders, Aslan Karatsev, gegen den er im Finale der Qualifikation noch verloren hatte. Über 2:18 Stunden lieferten sich die beiden Profis einen teils dramatischen Fight auf Augenhöhe, den der Deutsche am Ende mit 4:6, 6:3, 6:4 für sich entscheiden konnte.
Damit steigerte der gebürtige Sauerländer seinen bis dato größten Erfolg noch mal und erreichte bei einem der größten Turniere der Welt das Endspiel, in dem er keinem geringeren Gegenüber stehen wird, als der jungen Nummer 2 der Weltrangliste – Carlos Alcaraz aus Spanien. Der in dieser Woche 20 Jahre alt gewordene Spanier erklomm in den vergangenen beiden Jahren im Eiltempo die Weltspitze und gewann im Vorjahr das Masters-Turnier in der spanischen Hauptstadt, für das der Sieger, wie bei allen Masters-Turnieren, 1000 Punkte einstreicht.
Beide Akteure standen sich in der Vergangenheit zwei Mal gegenüber, beide Duelle fanden auf Grand-Slam-Ebene statt: 2021 besiegte Struff den damals 18-Jährigen in der dritten Runde der French Open in einem lange Zeit umkämpften Match glatt in drei Sätzen 6:4, 7:6, 6:2. Im vergangenen Sommer lieferten sich Alcaraz und Struff ein heißen Fünfsatz-Fight in Wimbledon, hatte der Deutsche nach 4:11 Stunden und einem 6:4, 5:7, 6:4, 6:7, 4:6 knapp das Nachsehen.
Knapp 10 Monate später treffen die beiden Europäer erneut aufeinander. Alcaraz hatte auf dem Weg ins Endspiel bislang lediglich einen Satz abgegeben, präsentierte sich in Madrid durchweg in Top-Form. Durch den Einzug ins Endspiel eines Turniers in dieser Größe ist Jan-Lennard Struff der erfolgreichste Lucky Loser der Tennis-Geschichte.
Aufschlag zum Finale der Mutua Madrid Open ist um 18.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit, in Deutschland überträgt Sky die Begegnung.
Pictures: Mutua Madrid Open.