PARIS – Die French Open stehen in der Karriere von Jan-Lennard Struff unter einem besonderen Stern: Auf seinem Lieblingsuntergrund erreichte der Warsteiner 2013 in Paris zum ersten Mal das Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers und 2019 zum ersten Mal ein Major-Achtelfinale auf der Anlage von Roland Garros. In diesem Jahr wiederholte der großgewachsene Rechtshänder seinen größten Karriere-Erfolg und stand gestern dem Weltranglisten-Zehnten, Diego Schwartzman aus Argentinien, gegenüber.
Zum zweiten Mal nach dem Zweitrunden-Match gegen Gael Monfils 2014 stand Struff auf dem zweitgrößten Platz von Roland Garros, dem Court Suzanne-Lenglen, in einem Hauptfeld-Match. Das Aufeinandertreffen mit Schwartzman war dabei das dritte der beiden, die zuvor jeweils ein Duell für sich entscheiden konnten.
Trotz 26-Zentimeter-Unterschied: Duell auf Augenhöhe
Und genauso ausgeglichen sollte sich auch die Partie unter der Mittagssonne von Paris gestalten. Zwar war es Jan-Lennard Struff, der mit einem Doppelbreak mit 5:1 in Führung ging und sich nach 22 Minuten die ersten Satzbälle erarbeitete, doch der Weltranglisten-Zehnte fand immer besser in die Begegnung und profitierte einige Male von der Netzkante. So kämpfte sich der 1,70 Meter große und quirlige Kämpfer aus Argentinien peu à peu zurück, wehrte insgesamt sechs Satzbälle des 26 Zentimeter größeren Deutschen ab und egalisierte zum 5:5. Kurz darauf musste der Tie-Break die Entscheidung bringen, der ähnlich nervenaufreibend verlief. 0:3 für Schwartzmann, 4:3 für Struff, weitere vergebene Satzbälle auf beiden Seiten und nach 66 Minuten verwandelte Schwartzman seinen vierten zum 9:11. Durch das 6:7(9) lag der Deutsche beim diesjährigen Turnier von Roland Garros erstmalig mit einem Satz zurück, war sich aber bewusst, dass er der Nummer zehn der Welt Paroli bieten kann.
Denn auch der zweite Durchgang gestaltete sich auf Augenhöhe: Beide Akteure erspielten sich immer wieder Breakchancen und so war es für die paar hundert Zuschauer auf Court Suzanne Lenglen ein Wechselbad der Gefühle. Beide Akteure nahmen mehrfach die Aufschläge des Gegenübers ab, doch das entscheidende Break erzielte der Argentinier beim Stand von 4:5, um nach 113 gespielten Minuten auch den zweiten Satz für sich zu entscheiden – 6:7, 4:6.
Immer wieder Wechselbäder der Gefühle
Einen 0:2-Satzrückstand hatte Struff bei einem Grand-Slam-Match zuvor drei Mal noch zu einem Erfolg umbiegen können, doch dieses Mal war der Gegner mit dem Weltanglisten-Zehnten ein anderer. Struff versuchte über die gesamte Matchlänge viele verschiedene Ansätze, um den unermüdlich und meistens weit hinter der Grundlinie arbeitenden Kontrahenten vor Aufgaben zu stellen, doch der Sauerländer schien zu Beginn des dritten Durchgangs einem kräftezerrenden Turnier, bei dem er auch die dritte Runde im Doppel erreichte, Tribut zollen zu müssen.
Schwartzman brachte seine Servicegames durch und fand auf die Aufschläge des Deutschen bessere Antworten. Beim Stand von 0:4 schien die Partie bereits vorentschieden, doch der niemals aufgebende Warsteiner kämpfte sich, ähnlich wie sein Kontrahent im ersten Satz, zurück und holte zwei Breaks auf, stellte auf 4:4. Auch fortan ging es eng zu Sache, beide Akteure legten angefeuert von den Fans ihr Herz auf den Court. Die folgenden drei Aufschlagspiele wurden durchgebrachte, ehe der Deutsche beim Stand von 5:6 gegen den Matchverlust servierte. Und hier war es der Südamerikaner, dem sich beim Stand von 30:40 der erste Matchball bot, den er wie bei vielen Ballwechseln zuvor mit einem Passierball ausnutzte und zum 6:7, 4:6, 5:7 aus der Sicht von Struff verwertete.
“Es überwiegt die Enttäuschung. Ich wollte unbedingt ins Viertelfinale”
Jan-Lennard Struff in der Turnieranalyse
Struff analysierte anschließend bei Eurosport: “Das Match ist extrem bitter gelaufen. Ich hatte die Chancen auf den Satzgewinn. Leider ist Diego mit dem Gefühl des gewonnen ersten Satzes in die folgenden Sätze gegangen. Ich bin sauer, dass ich es nicht selbst geschafft habe, den ersten Satz zu holen. Wenn ich den gewinne, kann ich vorweg gehen. Schade auch, dass es in den folgenden Sätzen nicht in den Tie-Break gegangen ist. Heute überwiegt vorerst die Enttäuschung, weil ich unbedingt ins Viertelfinale mit Rafa wollte.”
Nach der Partie erklärte Schwartzman im On-Court-Sieger-Interview: „Das war ein gutes Gefühl vor den Fans zu spielen. Das war ein gutes Match von mir, auch wenn ich einige Fehler gemacht habe. Das Wichtigste ist, dass ich in drei Sätzen durchgekommen bin.“
Roland Garros, 4. Runde
Jan-Lennard Struff – Diego Schwartzman 6:7, 4:6, 5:7 (182 Minuten)
1.Satz: 1:0, 1:1, 2:1, 3:1, 4:1, 5:1, 5:2 5:3, 5:4, 5:5, 6:5, 6:6;
Tie-Break: 0:1, 0:2, 0:3, 1:3, 2:3, 3:3, 4:3, 4:4, 5:4, 5:5, 5:6, 6:6, 7:6, 7:7, 7:8, 8:8, 8:9, 9:9, 9:10, 9:11. (69 Minuten)
2. Satz: 0:1, 1:1, 2:1, 2:2, 3:2, 3:3, 3:4, 4:4, 4:5, 4:6. (49 Minuten)
3. Satz: 0:1, 0:2, 0:3, 0:4, 1:4, 2:4, 3:4, 4:4, 4:5, 5:5, 5:6, 5:7. (64 Minuten)
Fotocredit: Eurosport